Die Theologie der Engagierten in der Kirche muss neu geschrieben werden

Menschen, die auf Stühlen sitzen und Dokumente lesen

Gemeinsam engagiert - Auf dem Weg zu einer Theologie der Zusammenarbeit von beruflich und ehrenamtlich Engagierten.
80 Engagierte, Ehrenamtliche, Pastorinnen und Pastoren und Mitarbeitende trafen sich aus ganz Deutschland vom 16. bis 18. Mai in Berlin auf Schwanenwerder, der Tagungsstätte der Evangelischen Akademie zu Berlin. Ihr Ziel war es, eine Lücke zu schließen: die Theologie der Akteure in der Kirche neu zu schreiben.

Die Veranstaltung war eine Kooperation der Arbeitsstelle Ehrenamt und des Landeskirchenamtes der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche), der Ehrenamtsakademie der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau, des Gemeindedienstes der Evangelisch-Lutherischen Kirche Bayern, der Evangelischen Akademie zu Berlin und der Evangelischen Kirche in Deutschland.

„Die Zusammenarbeit von beruflich und ehrenamtlich Engagierten berührt bei weitem mehr als nur die ideale Beschreibung, dass Ehrenamtliche ihre Aufgaben darin sehen, ihre Gaben auszuüben. Denn das tun sie genauso wie Pastorinnen und Pastoren und Mitarbeitende anderer kirchlicher Berufe“, heißt es in einer Vorabinformation. Dennoch klaffe zwischen der theologischen Beschreibung des Priestertums aller Getauften und der Organisationsstruktur, den Mitbestimmungsstrukturen und der gelebten Wirklichkeit, eine Lücke.

„Das Ehrenamt kommt in den Reformdiskursen unserer Kirche nicht vor“, konstatierte Cornelia Coenen-Marx in ihrem Eingangsimpuls. „Entscheidungsgremien erreichen nicht die Menschen, sondern bilden nur einen Teil der Vielfalt der Lebenskulturen ab.“ Und dabei komme es darauf an, so Coenen-Marx weiter, organisatorische Reformprozesse in Glaubensprozesse zu übersetzen.

Über ihre Leitungserfahrung berichtete Dr. Irmgard Schwaetzer, Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD): „Informationen erreichen Ehrenamtliche in Kirche häufig über Hauptamtliche, also später und oft zu spät, um mit ihnen zu planen. Dieser Wissensvorsprung der Hauptamtlichen macht gemeinsame geistliche Leitung zu einer Herausforderung, die ständige Rollendisziplin und eine gute gemeinsame Kultur braucht.“ – „Wir haben heute eine neue Atmosphäre der gemeinsamen Verantwortung, aber auch viel mehr Kommunikationsbedarf“, bestätigte Bischof Dr. Markus Dröge.

„Wir hatten alle keine Kenntnis, wir haben alle einfach gemacht. Wir hatten keine Zeit zum Nachdenken. Wir sind auf die Nase gefallen und wieder aufgestanden. Wir sind zu einer Familie geworden“, erzählte Carolin Adner, ehrenamtliche Flüchtlingspatin im Kirchenkreis Minden der Evangelischen Kirche von Westfalen.

In Interviews über Verkündigung, Leitung, Jugend, Seelsorge und Fluchtprojektarbeit wurden Knackpunkte der Zusammenarbeit Beruflicher und Ehrenamtlicher identifiziert. Sie wurden durch Perspektiven der Gemeindeentwicklung, Organisationsberatung, und dem externen Blick der Zivilgesellschaft ergänzt und dann in Arbeitsgruppen weitergedacht. „Am Ende stehen Lösungen und Selbstverpflichtungen“, so Dr. Steffen Bauer, Leiter der Ehrenamtsakademie in Hessen und Nassau, Mitveranstalter und Moderator.

„Gerade in theologischer Hinsicht steht die Kirche vor großen Herausforderungen. Es ist großartig, dass die Kirche diesen Wandel aktiv gestalten will und diese Tagung so möglich ist“, sagte Dr. Christiane Metzner, Studienleiterin für Ehrenamt der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.

Eine „theologische Grundlage biete organisatorischen Handlungsspielraum“, das machte die Veranstaltung deutlich. „Wir sind große Schritte gegangen in dieser Zeit“, so Rolf Becker, Mitarbeiter im Projektbüro Reformprozess im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei seinem Abschluss der Tagung. „Und wir haben noch große Schritte vor. Diese Schritte sind beschrieben und die Tagungsteilnehmenden haben eine gemeinsame Weiterarbeit verabredet.“

In ihrer Rede sagte die Berliner Theologin Dagmar Menzel: „Ehrenamt ist nur ein Aspekt des Priestertums aller Getauften. Wollen wir diesen Aspekt theologisch fassen, müssen wir Vielfalt betrachten und das ist nicht immer einfach. Denn dann müssen wir den Pastorenberuf auch vom Ehrenamt her denken, aber eben nicht nur.“ Die Aufgaben der Ehrenamtskoordination müsse in Kirche durchdekliniert werden, wenn die Rollen der verschiedenen Akteure neu und klar beschrieben werden sollen, so Menzel.

Ein wesentliches Aha-Moment ging auch von den geistlichen Impulsen aus. Sie arbeiteten am Priestertum aller Getauften. Unter anderem Stephanie Schwenkenbecher, Prädikantin in der Nordkirche verdeutlichte in ihrer Auslegung, wie der Ausdruck Priestertum aller Getauften als Zusage wirken kann, längst aber nicht ausreicht um die verschiedenen Aufgaben in der Kirche in verschiedenen Ämtern zu bestimmen.  

„Es ist wichtig zu bestimmen, wer diejenigen sind, mit denen wir als Kirche unterwegs sind. Andere Akteure der Zivilgesellschaft sind starke Partner“, ergänzte Oberkirchenrat Ralph Charbonnier, Referent für Sozial- und Gesellschaftspolitik im Kirchenamt der EKD. Die notwendige Partnerschaftlichkeit bestätigte auch Ansgar Klein, Geschäftsführer im Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement: „Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements bedeute Demokratieförderung.“ So sei beispielsweise die Stärkung der kommunalen Bildungslandschaften ein zentrales Zukunftsthema. „Hier hat die Kirche eine wichtige Rolle, da sie in der kommunalen Ebene fest verankert ist und selbst als Netzwerk sich in das Netzwerk der Zivilgesellschaft einbringt“, so Klein weiter.

In seinem Impuls sagte Mathias Lenz, Oberkirchenrat im Landeskirchenamt der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland: „Die Zusammenarbeit von beruflich und ehrenamtlich Engagierten ist eines der wichtigsten Zukunftsthemen für unsere Gesellschaft und für unsere Kirche. In dieser Hinsicht müssen wir unsere Haltungen und unsere Strukturen verändern, wenn wir die kirchlichen Stärken weiterentwickeln wollen.“

Dafür war die Tagung ein wesentlicher Schritt, aber die theologischen Bestimmungen und Befassungen beschreiben erst einen Anfang. Die Dokumentation zur Tagung finden Sie hier.